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Home Archiv Ein Exkurs in die Ethik

Werd` ich zum Augenblicke sagen ...

Prof. Dr. Werner Strombach: Ein Exkurs in die Ethik. Glücklichsein - die Philosophie gibt unzählige Antworten, wie dies zu erreichen sei. Der Autor hat einige ethische Ansätze in seinem Aufsatz ausgearbeitet. Wir haben Auszüge zusammengestellt.

(...) Schon in der Antike war bekannt, dass jeder glücklich werden möchte, aber keiner vor seinem Ende glücklich zu preisen ist. Eine weise Einsicht, weil keiner um das Wie seines Endes weiß. Also wusste man auch zu unterscheiden zwischen Glück haben, was dem Zufall überlassen ist, und glücklich sein, was man zumindest in Grenzen durch Rücknahme seiner Bedürfnisse mitgestalten kann. Wenn Goethe im Faust sagt: "Werd' ich zum Augenblicke sagen: Verweile doch! Du bist so schön!", dann verleiht er einer möglichen Form von Glücklichsein dichterischen Ausdruck. Nur gibt es keine allgemeine Regel, wie dieses zu erreichen ist, denn es hängt ab von den persönlichen Wünschen und Erwartungen, und es ist labil, es ist nicht geschützt vor dem Neid der Götter, welche das auch immer sein mögen.

Die Ethik kennt verschiedene Wege, dem Leben einen Sinn zu geben, um glücklich zu sein. Begegnungen mit der Natur oder anderen Menschen, das Sich-einer-Aufgabe-Stellen und das Hinnehmen des Schicksalhaften können zu individueller Sinnfindung führen. Letzteres ist altes stoisches Gedankengut. Die Stoa, eine griechisch-römische Philosophenschule, suchte das Glücklichsein in der Übereinstimmung des Menschen mit sich selber, was heißen soll, sie sah seine Aufgabe in der Verwirklichung der in ihm liegenden Idee des Menschseins, die aber stattfinden muss in Konformität mit der Natur, aus der der Mensch ja nicht heraus kann. Und heraus kann er auch nicht oder kaum aus den Zwängen des gesellschaftlichen Umfeldes. Wo also bleibt dann noch Raum für Freiheit? Hier setzte die Stoa einen Freiheitsbegriff an, der bis heute aktuell ist: Freiheit ist nicht Willkür, sondern frei ist ein Handeln aus Vernunft im Rahmen einer Welt umfassenden Ordnung, in die sich der Mensch fügt. Für die Stoiker war sie die göttliche Ordnung. (...)

Die Epikureer und Hans im Glück

Ethiken sind verschiedener Art; solche, die auf Lustgewinn und angenehmes Leben ausgerichtet sind, nennt man hedonistisch, vom griechischen hedene, die Lust. innerhalb der hedonistischen Ethiken gibt es Varianten, von Formen sinnenhaften Augenblicksgenusses bis zu jenen, die auch längerfristige, also geistige oder ästhetische Genüsse einbeziehen. Eine kultivierte Variante des Hedonismus ist die Epikureische. Lustgewinn und die Vermeidung von Schmerz gehören zwar zum Glücklichsein, sagt Epikur, wichtiger jedoch ist das Gleichmaß der Seele. Und das dachten wohl auch die Brüder Grimm, als sie ihren "Hans im Glück", nachdem er alles, was er hatte, losgeworden war, ausrufen ließen: "So glücklich wie ich gibt es keinen Menschen unter der Sonn". Und mit leichtem Herzen und frei von aller Last springt er heim zu seiner Mutter. Ziel des Handelns war es für Epikur, frei zu sein von den Wirrnissen der Welt und in positiver Daseinsauffassung in einem heiteren, von Daseinswerten erfüllten Leben Sinn zu finden in Selbstgenügsamkeit, aber auch in der Freundschaft.

Es gibt klassische Freundschaftsvorbilder, die meist Zweierbeziehungen sind, was jedoch nicht ausschließt, dass auch in einem befreundeten Kreis sich Freundschaft herausbildet, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind. Denn schließlich will wohl keiner- so Aristoteles - ohne Freunde leben, weil ihm selbst eine Fülle von Besitz nichts nütze, wenn er nicht die Möglichkeit habe, unter Freunden das Glück zu bewahren und ihnen Gutes zu erweisen.

Die Freundschaft wird erweckt durch den Wert und die Liebenswürdigkeit einer Person, die das Leben bereichert, und begründet darüber hinaus ein reziprokes Vertrauensverhältnis, das die Gewissheit eines gegenseitigen Eintretens füreinander und somit die Sicherheit eines jeden durch den anderen vermittelt.

Aber es gibt auch Einwände gegen die Freundschaft: So lässt Schiller den Wallenstein sagen: "Der Freunde Eifer ist' s, der mich zugrunde richtet, nicht der Hass der Feinde". Und ist Pflege von Freundschaft im Sinne einer Opferbereitschaft nicht eigentlich etwas Unsinniges? Man belastet sich mit Problemen, die einen selbst im Grunde doch gar nichts angehen, man gerät in Unruhe, erbringt Leistungen, vielleicht ohne jemals dafür entschädigt zu werden; und ist es vielleicht mit der Freundschaft ähnlich wie mit dem Mitleid, von dem Nietzsche meinte, das sei ja nur eine Erfindung der Schwachen und Lebensuntüchtigen, um den Starken zu schwächen und den Schwachen zu stärken? Wäre es nicht vernünftiger, Zurückhaltung zu üben und sich aus dem Treiben der Welt herauszuhalten? Ist nicht derjenige der Klügere, der Mittel und Wege zum guten Leben kennt und sie auch nutzt, jedoch um sein persönliches Glück und nicht um das eines andern zu erreichen? Und profitiert nicht die Gesamtheit letztlich von meinem Glück, so wie der Moralphilosoph Bernard de Mandeville schon im 18. Jahrhundert durch seine Bienenfabeln zu zeigen versuchte, dass nämlich in einer entwickelten Gesellschaft der Egoismus jedes einzelnen für die Gesamtheit wohltätigere Folgen hervorbringe als Tugend und Altruismus, die letztlich zum wirtschaftlichen Niedergang des Gemeinwesens führt?

Wer das so sehen will, möge das so sehen, möge auf Freunde verzichten. In meiner Sicht aber ist Klugheit nicht ohne Ethos, und dieses Ethos gründet nicht nur in der Person, sondern auch im mitmenschlichen Bezug, in der Idee der Menschlichkeit, der humanitas, wie sie sich entfaltet in Werken der Kultur, aber auch in den Formen des sozialen Handelns des Menschen, in Gerechtigkeit, Billigkeit, Duldsamkeit, die man auch Toleranz nennt, aber nicht im Sinne von Wahrheitsneutralität, sondern als Schaffung eines Freiraumes, in dem Wahrheit gefunden werden kann. Das ist das Ethos der Klugheit.

Schopenhauer und die Stachelschweine

Toleranz und Freiheit bestimmen auch das Miteinander in sozialen Gruppen. Schopenhauer hat die Fabel von den Stachelschweinen erzählt: Eine Herde Stachelschweine lebte in einem Stall. Lagen sie zu weit von einander entfernt, dann froren sie, lagen sie zu dicht beieinander, dann stachen sie sich gegenseitig. Also mussten sie den mittleren Abstand finden, der zum Wohlbefinden aller führte. Für eine plurale Gesellschaft aber kommt es nicht nur auf Einhaltung eines mittleren Abstands an, sondern auch auf die Anerkennung von Grundwerten und einer Grundordnung. Denn es geht nicht ohne den Konsens über Eckdaten, die nicht zur Disposition stehen. (...) Es gibt eine berechtigte Tendenz, für die eigene Person zu sorgen. Unser Leben ist auf dieser Tendenz aufgebaut und würde ohne sie nicht bestehen können. Seitdem der Mensch sich als ich begreift, bringt er sein Selbst - wo immer er kann - zum Vorschein, und ein gewisser Egoismus, selbst wenn er altruistisch verdeckt erscheint, ist unvermeidlich. Irgendeine Macht muss ja für die Person sorgen, sie schützen, erhalten. In diesem Sinne ist der Egoismus etwas Nützliches, wenn auch nicht moralisch Verdienstvolles, denn es hat keinen Sinn, aus dem Naturgesetz eine Tugend zu machen. Viele schützen diesen sogenannten "gesunden Egoismus" als Grundlage eines starken persönlichen Wesens, nicht anders als man auch körperliche Gesundheit schützt. Aber ein ungetrübter subjektiver Glückszustand hat eben auch einen ethisch-ästhetischen Aspekt: Eine Entfaltung des Sinnes für die reiche Fülle das Schönen, die uns umgibt, für die Formung des eigenen Lebens,den Gewinn und Besitz von Erlebnis von Zuneigung – in diesen Idealen: Weisheit, Lust, Freundschaft gründet für den, der dafür sensibilisiert ist, Glücklichsein. (...)

Werner Strombach