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Home Publikationen Kulturreport 2003 Dr. Janusz Korczak

Dr. Janusz Korczak

„Kinder werden nicht erst zu Menschen, sie sind es heute schon“

Über Janusz Korczak, seine Pädagogik und seine Erklärung der Rechte des Kindes

„Wie oft gleichen wir [die Erwachsenen] dem Kinde, das der Katze eine Schleife an den Schwanz gebunden hat, sie mit einer Birne füttert, ihr seine Zeichnungen zeigt und verwundert ist, dass die Undankbare sich taktvoll verdrücken will oder verzweifelt zu kratzen anfängt.“

 (Foto): Dr. Janusz Korczak
Dr. Janusz Korczak

Janusz Korczak, am 22.Juli 1878 in Warschau als Henryk Goldzmit geboren, wird heute oft als der „König“ oder „Anwalt“ der Kinder bezeichnet. Mit seinen modernen Vorstellungen zur Kindererziehung gilt er als Vorläufer der heutigen Erlebnispädagogik; mit vielfältigen Talenten ausgestattet, bewegt er sich jedoch nicht allein im pädagogischen Bereich, er praktiziert außerdem als Arzt und kann sich zudem als Literat einen Namen machen. Der Namenswechsel markiert den Punkt seines Leben, an dem er sich gegen die ihm offenstehende bürgerliche Karriere entscheidet und die Leitung des Waisenhauses Dom Sierot übernimmt. Diese Stellung verleiht ihm nun endlich die Möglichkeit, seine Vorstellungen einer demokratischen Kinderrepublik, einer klassenlosen Gesellschaft – ermöglicht durch die Aufhebung des ungleichen Kampfes zwischen Kindern und Erwachsenen – zu verwirklichen.

 

Der Anwalt der Kinder

Mit seinem Plädoyer für eine Deklaration der Rechte des Kindes, von ihm als Aufforderung zum Handeln verstanden, war Korczak seiner Zeit weit voraus. Die im Folgenden aufgeführten Rechte sind seine Werken „Wie man ein Kind lieben soll“ und „Das Recht des Kindes auf Achtung“ entnommen – wobei beide Buchtitel bereits für sich sprechen: die Rechte auf Liebe („Liebe das Kind, nicht nur dein eigenes“) und Achtung sind den folgenden übergeordnet. Achtung ist als ein wechselseitiger Vorgang zu verstehen: wird das Kind von Erwachsenen respektiert, lernt es dadurch den eigenen Respekt, die Achtung vor anderen Menschen. Von Bedeutung ist außerdem das Recht des Kindes, so zu sein, wie es ist; was das Anrecht auf Fehler, Versagen und Mittelmäßigkeit einschließt: „Bei den Kindern gibt es auch nicht mehr Narren als bei den Erwachsenen“. Das Kind soll nicht zum Projektionsobjekt für im eigenen Leben nicht Erreichtes, für verpasste Chancen der Eltern werden; es soll zudem nicht erst in Zukunft, sondern sofort, schon als Kind, ernstgenommen werden.

 (Foto): Ul. Krochmalna, Waisenheim
Korczaks Waisenhaus Dom Sierot in der Krochmalna

Hier schließt sich ein weiterer Anspruch direkt an: Das Recht des Kindes auf den heutigen Tag. Hier wird der absolute Wert der Kindheit betont, was wiederum die Forderung nach Akzeptanz der spezifischen Kinderperspektive und nach Zubilligung altersadäquater Rechte und Pflichten impliziert. Korczak geht hier auf das zu seiner Zeit durchaus noch aktuelle Problem ein, Kinder als Noch-Nicht-Erwachsene zu behandeln, sie somit als dressierbar und willenlos zu betrachten – dem Glauben verhaftet, Kinder seien erst in Zukunft ernstzunehmen. Die Erwachsenen sind seiner Meinung nach gehalten, sich von dem Irrtum zu lösen, sich zu den Begriffen der Kinder erniedrigen zu müssen. Sie müssen begreifen, dass sie sich zu den kindlichen „Gefühlen emporheben müssen, dass [sie sich] strecken und auf Fußspitzen stehen müssen, um sie zu erreichen“.

Auf den ersten Blick befremdlich scheint seine Forderung des Rechts des Kindes auf seinen Tod; folgendes Zitat allerdings erläutert den Gedanken, der hinter dieser steckt: „Aus Furcht, der Tod könnte uns das Kind entreissen, entziehen wir es dem Leben; um seinen Tod zu verhindern, lassen wir es nicht richtig leben“. Korczk fordert also nichts anderes, als Freiheit und Autonomie des Kindes: in der Möglichkeit, eigene, auch leidvolle Erfahrungen zu machen. Wichtig ist dem Pädagogen außerdem der Anspruch des Kindes auf Respektierung seiner Geheimnisse, seines Besitzes und seines Schmerzes – „und sei es nur der Verlust eines Kieselsteins“ – zu nennen.

„Wir wollen, dass uns das Kind alle seine Gedanken und Gefühle anvertraut. Wir sind selbst nicht schnell bei der Hand mit Bekenntnissen und wollen und können nicht verstehen, dass das Kind noch schamhafter, noch empfindlicher gegen das brutale Beobachten seiner geistigen Regungen ist.“

 

Eingeholt von der Realität des Krieges

 (Foto): Denkmal Yad Vashem
Skulptur „Korczak und die Kinder
des Ghettos“ in Yad Vashem

Die glückliche Zeit der demokratischen Kinderrepublik im Dom Sierot nahm allerdings kurz nach Beginn des Zweiten Weltkrieges ein jähes Ende. 1940 wurde das jüdische Waisenhaus in das Warschauer Ghetto zwangsverlegt. Dort waren, auf engstem Raum und bei enorm schlechter Verpflegung, über 600.000 Juden zwangsweise untergebracht worden.

Aus dieser Zeit berichten die von Igor Newerly geretteten und später auch herausgegebenen Ghetto-Tagebücher Korczaks; Erinnerungen an eine Zeit, in der die bekannte Ordnung aus den Fugen geraten war.

Zwei Jahre später – Korczak hatte sämtliche Angebote zur Flucht aus dem Ghetto ausgeschlagen – wurde er zusammen mit den Kindern in das Vernichtungslager Treblinka deportiert, wo er, vermutlich am 5.August 1942, den Tod fand.

 

Erinnerungen

Nicht nur die pädagogischen Konzepte, auch das Schicksal des Menschen Janusz Korczak sollte uns allen in Erinnerung bleiben. Es ist zu hoffen, dass das Gedächtnis der Schrecken des Zweiten Weltkrieges dazu beiträgt, ein solches Geschehen in Zukunft zu verhindern. Allein deshalb, aber auch aufgrund der Idee einer demokratischen Wertevermittlung, die den Menschen im Gegensatz zu militärischem Drill eine freie, aktive und kreative Gestaltung ihrer Umwelt ermöglicht, sollten die bereits mit verschiedenen Ausstellungen und Filmen begonnenen Versuche, Korczaks Leben einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen, in jedem Falle weitergeführt werden.